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Festival SIGNATUREN | Attis Theatre
Die griechische Tragödie? Im Theater oft eine Spielwiese für Einfallspinsel. Prometheus an der Tankstelle. Welche Wucht tatsächlich in den alten Geschichten steckt, beweist ein Künstler, der sein Ohr noch ganz nah an den Mythen hat. Theodoros Terzopoulos, Gründer des Attis Theatre aus Athen. Vom Pumpenhaus schon 1994 entdeckt. Längst in der ganzen Welt auf Tour. Was Peter Brooke für Shakespeare war, ist dieser Mann für Sophokles, Euripides und Aischylos. Ein Wiederentdecker. Erneuerer. Seelenzwilling. „Ich arbeite mit dem Körper, nicht mit Ideen“, sagt Terzopoulos nur. Tatsächlich lässt er die Körper so sprechen, dass die Worte wie Wogen über einen kommen. Seine Methode ist Rhythmus, Ritual, Reduzierung. Egal, ob er die Griechen inszeniert. Künstler wie Brecht, Beckett, Müller. Oder Zeitgenossen. Mit Iocasta von Jannis Kontraphouris bringt Terzopoulos einen Text auf die Bühne, der in mehrfacher Hinsicht existenziell wird. Der Autor hat ihn in der Klinik geschrieben. Schwer krank, den Tod schon vor Augen. Sein Wunsch: das Attis Theatre möge ihn inszenieren. Das Stück ist eine Überschreibung von Sophokles’ Tragödie „König Ödipus“. Verdichtet auf die Rolle der Mutter, Iocasta. Jene Unglückselige, die sich das Leben nimmt. Die wird von Sophia Hill gespielt. Prägende Darstellerin der Gruppe schon in Werken wie „Der rasende Herakles“ oder „Ajax“. Mit Terzopoulos als Erzähler an der Seite performt sie einen berauschenden Countdown des Untergangs. Ein Theater der dunklen Poesie. Pure Kraft.
A performance of creative de-construction, that only the elaborated working method of Theodoros Terzopoulos can offer. The gifted Sophia Hill transits dangerous interpretative paths. Like an ancient sculpture, she talks the primitive words of defeat and loss. Ioanna Blatsou, PontikiArt, Athen
What remains unnegotiable in this performance is the acting skills of Sophia Hill and the ritual atmosphere of the performance. […] This performance reminds us that the theatre of Theodoros Terzopoulos is always a theatre of dark poetry. Iliana Dimadi, Athinorama, Athen
Nach der Aufführung am Sa, 15.11.:
Frank M. Raddatz im Gespräch mit Theodoros Terzopoulos
Frank M. Raddatz promovierte über Heiner Müller und veröffentlichte zwei Gesprächsbände mit dem Dramatiker. Als Dramaturg arbeitete Raddatz u.a. zusammen mit Dimiter Gotscheff, Einar Schleef, Tadashi Suzuki, Theodorus Terzopoulos und Jannis Kounellis. Er entwickelte und leitete verschiedene internationale Projekte u.a. mit Rimini Protokoll und erhielt Lehraufträge an diversen deutschen und ausländischen Universitäten. Von 2007 bis 2014 war er Mitglied der Redaktionsleitung von Theater der Zeit bevor er im Mai 2014 zur europäischen Kulturzeitschrift Lettre International wechselte.
SIGNATUREN – Handschriften für das Theater der Gegenwart
vom 1. – 30. November
Manche Künstler haben Ideen. Andere haben eine Handschrift. Eine, die das Theater geprägt hat und prägt. Die unverwechselbar ist. Die sich nicht nach Moden richtet, sondern Maßstäbe setzt. Mit dem Festival Signaturen präsentieren wir im November sechs solcher Künstler und Gruppen. Einmal quer durch Europa. Eingeladen sind das Attis Theatre von Theodoros Terzopoulos. Der in London lebende Italiener Franko B. Der Niederländer Chaim Levano. Der Flame Jan Decorte. Das Berliner Kollektiv Rimini Protokoll. Und der westfälische Wahlberliner Thorsten Lensing. Sie alle haben im Pumpenhaus schon ihren Stempel hinterlassen. Theatersternstunden beschert, die sich uns unauslöschlich ins Gedächtnis eingeschrieben haben. Für diese Könner halten wir jetzt vier Wochen lang den gewohnten Betrieb an. Sind ausnahmsweise mal nicht Entdecker, sondern Bestärker des Bewährten. Fallen aus der Zeit und geben die Bühne frei für junge alte Meister. Gerahmt von Lesungen, Künstlerporträts und Publikums-Diskussionen. Das Programm bietet starke Aufführungen. Nicht Recherchen oder Versuchsanordnungen. Ästhetisch ganz von heute. Getragen von der Liebe zum alten Medium. Das Theater ist ja immer auf der Jagd nach dem neuesten Trend. Hype, Hype, Hurra! Wir treten einen Schritt zurück und zeigen Erneuerer, die gekommen sind, um zu bleiben. Wir wollen Theaterereignisse. Nicht mehr und nicht weniger. Lassen Sie sich anstecken von unserer Leidenschaft für prägende Handschriften.
Das Festival Signaturen ist eine Koproduktion vom Theater im Pumpenhaus und der Kunsthalle Münster und wird unterstützt von der Kunststiftung NRW.
Mit
Sophia Hill, Theodoros Terzopoulos
Regie
Theodoros Terzopoulos
Licht
Theodoros Terzopoulos, Kostas Bethanis
Produktionsleitung
Maria Vogiatzi
Fotos
Johanna Weber