Pumpenhaus unterwegs: Mit Tugsal Mogul auf dem Taksim Square

Tugsal

12.06.2013

Pumpenhaus unterwegs: Mit Tugsal Mogul auf dem Taksim Square

Das Pumpenhaus ist seit langer Zeit ein international vernetzter Ort. Daher möchten wir an dieser Stelle auf ein dringendes Anliegen unseres engen deutsch-türkischen Freundes Tugsal Mogul hinweisen, der seit Jahren mit seinem Theater Operation das Geschehen im Haus mitgestaltet. Mit Entsetzen begleitet er das aktuell entgleisende politische Geschehen in Istanbul rund um den Taksim Square, wo sich ein einstmals demokratisch regiertes Land innerhalb von kürzester Zeit in eine brutale Autokratie zu verwandeln scheint.

Tugsal wies uns auf einen offenen Brief hin, der vor einigen Tagen von Serdar Deniz aus der Türkei verbreitet wurde. Wir zitieren:

“Es begann alles mit einer friedlichen Demonstration gegen die Abholzung 80-jähriger Bäume eines Parks (Geziparki) mitten im Taksim Square, wo der türkische Ministerpräsident Erdogan völlig starrköpfig gegen alle Proteste und Einwände eine Kaserne aus dem Osmanischen Reich mit integriertem Einkaufszentrum wiederaufbauen bzw. errichten wollte.

Der Stand der Dinge nach fünf Tagen Widerstand: Die türkische Polizei hat nun die Identifikationsnummern auf ihren Helmen bedeckt. Könnt ihr Euch denken, was das heißt? Sie greifen uns friedliche harmlose Demonstranten, die singend und tanzend gegen die Regierung und Ministerpräsident Erdogan mit Plakaten protestieren mit Einsatztruppen, Wasserwerfern, CS-CR Gas und Plastikgeschossen brutal an.Zivilpolizisten streifen nachts mit Knüppeln, Eisenstangen und Holzknüppeln, an denen Nägel befestigt sind, und schlagen auf alles, was sich bewegt.

Ich bin selbst mit Gasmaske, Schutzbrille, Proviant und Hilfsmaterial vor Ort. Wir geben nicht auf. Wir verarzten, verpflegen und helfen uns gegenseitig. Um uns vor den brutal angreifenden Polizisten zu schützen, müssen wir in Gruppen stehen und Barrikaden aufstellen.Dazu müssen wir aufstellen, was uns in die Hände kommt – Busse, Autos, Steine, Pflanzenkübel, Sitzbänke, Gitter…alles, einfach alles.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, um uns zu schützen.

Wir haben hunderte Verletzte und leider auch schon einige Tote. Sie schießen mit Gaskapseln direkt auf die Menschen. Das sind dicke Geschosse, die mit riesiger Wucht auf Köpfe und Körper aufschlagen. Unsere einzige Kommunikation läuft über Facebook und Twitter.Die türkische Presse schweigt aus Angst. Außer HalkTV, einem winzigen mutigen Sender, den vorher kaum einer kannte, berichtet niemand. Ministerpräsident Erdogan hat alle Sender und Zeitungen unter seiner eigenen Kontrolle und lässt keine Nachrichten ans Volk übermitteln. Die Hälfte der Türkei weiß noch nicht einmal, was hier gerade passiert.”

Als europäische Nachbarn sind wir alle verantwortlich, im allgemeinen Klima von Kapitalsteigerungen und Spardiktaten ein besonders waches Auge auf die internationalen Entwicklungen in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit zu haben. Die Errungenschaften einer pluralistischen Gesellschaft dürfen auch in Zeiten tiefgreifender Wandlungsprozesse nicht ihre Gültigkeit verlieren. Es sei an dieser Stelle auch abschließend auf die medienpolitischen Pläne in Griechenland verwiesen: http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/sparmassnahmen-in-griechenland-athen-stellt-staatlichen-rundfunk-ein_aid_1011674.html

Möglichkeiten, sich direkt über das Geschehen in Istanbul zu informieren:
HalkTV (“Volks-TV”): www.halkhaber.tv
Facebook und Twitter unter #occupygezi, #direngeziparki (einfach bei Google eingeben)