09.09.2009 – Auf Fußhöhe mit den Tänzern: Isabell Steinböck in den Westfälischen Nachrichten

Pressespiegel

 

09.09.2009 – Auf Fußhöhe mit den Tänzern
Isabell Steinböck in den Westfälischen Nachrichten

Münster. Das Gesicht der Tänzerin kommt einem so nah, dass man ihren Atem spürt. Sie blickt einem in die Augen, viel zu lange, bis sie sich schließlich dicht am Kopf des Zuschauers vorbei über den Bühnenboden schlängelt. Etwa einen Meter entfernt ragen weitere Köpfe aus dem Boden – einige unbewegt, die meisten kichernd oder zumindest schmunzelnd. Wann hat man so etwas schließlich schon mal erlebt? Auf einem Hocker zu stehen, den Kopf durch ein Loch zu stecken und unter einem Gitter Teil der Bühne zu sein; von Angesicht zu Angesicht mit Fremden, seien es nun Tänzer oder Publikum.
Das Bühnenbild allein reicht schon aus, um fasziniert zu sein von der israelischen Tanzcompany namens „Noa Dar Dance Group“, die im münsterschen Pumpenhaus gastierte. „Tetris“ ist der Titel dieser ungewöhnlichen Produktion aus Tel Aviv, kreiert von Tanzchefin Noa Dar in Zusammenarbeit mit der Künstlerin und Designerin Nati Shamia-Opher. In beispielloser Weise loten sie die Grenzen zwischen Publikum und Tänzern aus, konfrontieren die Zuschauer mit Nähe und Enge, so radikal und unberechenbar, dass der Besuch dieser Tanzvorstellung an Selbsterfahrung grenzt.
Dass es Noa Dar auch um die Durchdringung der Privatsphäre durch die Medien geht, passt zum Konzept, ist jedoch nicht vorrangig. Unvergessen dagegen bleibt das eigenartige Gefühl, instrumentalisiert zu sein. Sei es nun als Gegenstand, den es zu umgehen gilt, weil er wie eine Figur auf dem Schachbrett steht. Sei es als Dekoration oder gar als unbekannter Mitwisser von Beziehungen, die sich aus Liebe und Hass speisen.
Noa Dar lässt ihre sechs Tänzerinnen und Tänzer gewaltsam einander annähern, bis sie sich schließlich gegenseitig über die Bühne hetzen. Wenn das Ensemble mit Tempo über Zuschauerköpfe springt, werden Dynamik und Kraft erlebbar wie sonst selten. Dabei gewährt die Company dem Publikum immer wieder Pausen, wechselt die Perspektive, lässt die Zuschauer unter der Bühne Platz nehmen oder davor. Die Tänzer spielen mit dem Raum, dem sie so viele originelle Möglichkeiten abgewinnen, dass es eine Freude ist, zuzusehen. Auch wenn das Publikum da schon längst wieder auf Abstand gegangen ist.